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Bericht 33 --- China 3

  • jonasklein30
  • 5. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit

*Bericht Tag 237*

27.10.24


Das Bayan-Har-Gebirge ist in China beliebt, weil der Gelbe Fluss dort entspringt und der Jangtsekiang entlang fließt. Der erste Abschnitt des dritt-längsten-Flusses der Welt, wird Jinsha-Fluss genannt und begleitet uns die nächsten Wochen bis nach Lijiang und stellt häufig die Grenze zu Tibet dar. Wen interessiert schon trockene Geographie? Aber es mit dem Fahrrad zu erkunden und live zu erleben, ist schon was anderes.

Doch auch das vermeintlich endlose Weideland des Bayan-Har-Gebirge hat wohl mal ein Ende. Von Yuegai (letzter Bericht) konnten wir die hügelige und karge Landschaft nur noch zwei Tage studieren bis es ein sehr abruptes Ende nahm. Aber halb so schlimm, denn es kommt noch besser. Mit der Einfahrt in Yushu gab es ein komplett neues Landschaftsbild. Wir sind seit längerem nochmal unter die Baumgrenze von 3500 Metern geraten und durften feststellen, dass der Herbst in China angekommen ist. Besonders schön ist diese Abwechslung, wenn man nicht damit rechnet. Diese Steppe hoch oben in den Bergen war Wegbereiter der Begeisterung für die bunte Vielfalt der Bäume.


Im Nachgang klingt es logisch, aber während man am Rad sitzt ist man unsicher ob die Landschaft bis ins Flachland vor der vietnamesischen Grenze, für die nächsten 1500km einfach so weiter läuft. Das ist der Vorteil wenn man so schlecht informiert ist und wenig Geographie - Kenntnisse hat: Man wird sehr häufig überrascht, besonders hier in China. Jedes mal aufs neue unterhalten wir uns darüber, wie anders man sich etwas vorgestellt hat. Damit wären wir wieder bei der Stadt Yushu. Wir haben sie in einer etwa 10 Jahre alten Radreise-Doku (Berlin2Shanghai) gesehen, beziehungsweise nicht gesehen. Die Stadt wurde von einem Erdbeben zerstört und sah in den Aufnahmen aus, wie eine gigantische Baustelle. Heute erinnert äußerlich nur noch ein zerstörtes Gebäude an die Katastrophe, welches als Denkmal dient.


Die nächste Überraschung war der "Tibetische Grenzweg", den wir als Empfehlung auf bikepacking.com gefunden haben. Nach mehr als 200 Tagen im Sattel ist es nicht mehr so einfach begeistern zu werden, aber es ist passiert. Der Eintritt in den Trail war traumhaft. Grüne Wiesen, türkise Flüsse, tiefblaue Seen und weiße Berge im Hintergrund, während wir die Sonne genießen. Eine ganz besondere Stimmung durch die gemütlich grasenden Yaks und die bunten tibetischen Tempel und Dörfer. Beides vermittelt sehr viel Ruhe und Frieden. Alles perfekt.... Wäre da nicht plötzlich ein kilometerlanger Erdrutsch der den Weg versperrt - den einzigen Weg, wohl gemerkt. Die Karte will keinen anderen Weg preisgeben und die parkenden Autos in Kombination mit einem kleinen Trampelpfad machen es nochmal deutlich: Alles zurück radln bis nach Yushu oder versuchen die Ausrüstung entlang des Pfades zu tragen. Wir laufen die Strecke erstmal ohne Gepäck ab und benötigen 15 Minuten hin und zurück. Doch es ist ein sehr schmaler Pfad und es gibt einige Stellen, an denen man nicht ausrutschen möchte. Doch wir schaffen die erste Fuhre bestehend aus einem Fahrrad und zwei Taschen. Die Freude ist allerdings schnell vergangen als wir feststellen, dass die nächsten zwei Erdrutsche nur hundert Meter weiter sind. Nach kurzem überlegen entschließen wir, es weiter zu probieren. 2,5 Stunden später stehen wir mit Fahrrad + Gepäck im dunklen....

Aber immerhin auf der richtigen Seite des Berges. Die Angst nach weiteren Erdrutschen blieb zum Glück unbegründet, aber dafür hat uns der Muskelkater noch einige Tage daran erinnert.


Tag 2+3 waren sehr harmonisch, aber dann gibt's auch nicht viel zu erzählen...ach doch. Wir haben eine neue Provinz befahren. Wir sind von Qinghai nach Sichuan gewechselt und haben eine Einladung von einem Tibetischen Mönch erhalten. Ich glaube die erste Einladung seit dem Iran, für eine Übernachtung?


Tag 4 war der härteste Pass der Tour. Das wird er jetzt auch bleiben.... ziemlich sicher.... hoffentlich....

Gut, dass wir im Voraus nicht wussten was uns erwartet. Sonst wären wir gar nicht los gefahren. Steil, Geröll, falsch abgebogen und dazu die dünne Luft.

Zum Schluss wollten wir immer 20 Höhenmeter fahren und anhalten, also kleine Zwischenziele zur Motivation. Leider waren 20hm zu viel 😃


Tag 5 hatte nochmal eine kleine Überraschung inne. Erst möchte sich schlechte Laune breit machen, weil der kalte Gegenwind die Fahrt extrem erschwert doch die Freude wegen der Aussicht war größer. Zwischen so hohen und bunten Felswänden haben wir beide noch nicht gestanden. Direkt neben uns türmen sich mehrere hundert Meter massiven Gesteins senkrecht aufeinander. Natürlich wieder ohne Vorahnung. Ich glaube sowas passiert nur auf einer Radreise. Man fährt nicht gezielt zu einer Sehenswürdigkeit hin, sondern sie tauchen ungeahnt auf. Dazu sind die Orte meist leer und überhaupt nicht touristisch. Mindestens genauso schön ging unsere selbst geplante Tour entlang der tibetischen Grenze weiter. Was will man mehr? Vielleicht angenehmere Temperaturen und etwas weniger Qual an den steilen Anstiegen? Achja....


....Wir haben die letzten hohen Pässe der Tour gemeistert 😊😊🚲🚲 Die Zeit alleine, hoch oben im Tibetischen Hochplateau ist damit am Ende. Irgendwie sehr schade, weil uns das Rad fahren hier wieder richtig Spaß gemacht hat, allerdings ist 1 Monat in der Höhe ist auch mal genug. Es war extrem anstrengend, weil über 4000 Metern ist der Puls höher, die Atmung schneller und dadurch stellt sich eine innere Unruhe ein. Als würde der Körper in einen Krisenmodus schalten, der etwas unangenehm ist, wenn man sich ausruhen möchte. Es ist sehr erleichternd, diese große Herausforderung erfolgreich gemeistert zu wissen und macht auch zeitgleich etwas stolz. Doch wir werden die Berge wohl sehr schnell wieder vermissen als uns lieb ist. Man hört es wohl, es sind gemischte Gefühle.


Zeitgleich wird uns damit auch bewusst, dass die Reise nicht ewig weiter gehen wird. Nicht in dem Sinne, dass es uns traurig macht, dafür ist dann doch noch genug Zeit. Eher das uns bewusst wird, dass wir einige Dinge zum letzten mal tun und es wegen dieser Endlichkeit nochmal mehr zu schätzen wissen. Das geht während der Tour verloren. Man freut sich nicht jeden Tag darüber, dass man frei hat und nicht zur Arbeit muss. Das wird selbstverständlich. Gerade ist es wieder etwas besonderes. Es braucht wohl diese Endlichkeit, damit man es zu schätzen weiß.


Wir flüchten uns passend zum Winter auf der Nordhalbkugel nun weiter Richtung Süden und Richtung Flachland. Dort ist die Regenzeit mit extremer Luftfeuchtigkeit vorbei und damit auch die enorme Hitze. Wir haben noch gut 1 Monat in China vor uns und sind gespannt was uns noch alles erwartet 😊 In den letzten Tagen haben uns schon die ersten wilden Affen und dichten Laubwälder einen Vorgeschmack auf das kommende verliehen.



 
 
 

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