Bericht 26 --- Verarbeitung Iran
- jonasklein30
- 5. Nov.
- 8 Min. Lesezeit
01.08.2024
*Teil 1 Einordnung des aktuellen Berichts*
Der aktuelle Bericht erreicht euch aus Usbekistan. Es war im Iran und Turkmenistan kaum möglich ein ruhiges Plätzchen zu finden, um nachzudenken und zu schreiben. Wir mussten die vielen Ereignisse mit einer Woche Distanz neu bewerten und einordnen. Zudem hatten wir auch etwas Angst, offen darüber zu schreiben, solange wir noch im Iran sind.
Für diesen Bericht sei gesagt, dass unsere Wahrnehmung sehr subjektiv und individuell ist. Sie wird wohl nur für Radreisende, häufig im Zelt schlafend, unglückliche Routenplanung im Norden des Iran, im Hochsommer, in der Kombination aus einem Mann und einer Frau passen. Die Realität war eine andere, sobald wir zu Fuß unterwegs waren und eine feste Bleibe hatten. Daher ist es nicht sonderlich Aussagekräftig für andere Reisende und schon gar nicht für die Menschen die hier leben, aber wir wollen es trotzdem ehrlich mit euch teilen.
*Teil 2 Bedenken vor der Einreise*
Wir haben uns im Voraus informiert. Neben den vielen tollen Reiseberichten gab es natürlich auch ein paar weniger schöne Nachrichten:
Auswärtiges Amt:
-Absolute Reisewarnung
-Aufforderung das Land zu verlassen
-Willkürliche Verhaftungen
-Besondere Warnung für Reise mit Motorrad, Fahrrad, Auto
Persönliche Gespräche:
-Man darf nicht gemeinsam auf ein Zimmer wenn man nicht verheiratet ist.
-Ein Mann mit Drohne wurde für längere Zeit verhaftet, weil er im falschen Gebiet eine Luft-Aufnahme gemacht hat
-Ein Päarchen hat online zwei Radreisende verfolgt. Sie haben nichts mehr von ihnen gehört, weil sie in Haft geraten sind.
Forenbeiträge:
-Der Kriegseintritt Deutschlands sorgt dafür, dass Iraner keine Gäste aufnehmen werden.
Ich fand es so zutreffend und dachte da hat jemand einen sehr klaren Blick auf die Sache.
Und wer weiß was es noch alles für Auswirkungen hat?
Deutsche Medien:
-Baerbock spricht von möglichen direkten Konsequenzen für den Iran und bittet alle Deutschen Staatsbürger die Reisewarnung besonders ernst zu nehmen.
-Iranischer Präsident unmittelbar vor Einreise verstorben. Was bedeutet das? Wie ruhig werden die neuen Wahlen verlaufen? Wird man auf ein Attentat spekulieren?
All diese Erfahrungen haben wir nicht gemacht.
Dafür haben wir einige andere machen dürfen bzw müssen. Man bekommt die relevanten Infos erstaunlicher Weise nirgendwo. Man muss es selbst ausprobieren. Ob die Erfahrungen so unterschiedlich sind, ob viele Menschen nicht ehrlich berichten oder ob Menschen ohne Erfahrung viel spekulieren, kann ich leider nicht sagen. Aber die Abweichung zu unseren Erfahrungen ist groß.
*Teil 3: Das folgende geht nur aufzählend, sonst würde es den Rahmen sprengen. Allerdings ist das Gesamtbild wichtig, damit man das Schlusswort ein bisschen nachvollziehen kann.*
-In der Grenzregion plötzlich karle Landschaft und enorme Hitze. Traumhaft schöne Bergregion. Ein paar komische Leute getroffen die uns aus dem Auto und vom Motorrad anbrüllen.
-Viele organisatorische Probleme und Missverständnisse. Die enorme Aufmerksamkeit verwickelt einen in viele Gespräche und schwierige Situationen.
-Charlotte erfährt erste Beleidigungen. Gleich 3x in einer Stadt. (Dazu wird Charlotte noch berichten)
-In Ardabil so sehr vom kulturellen Unterschied begeistert aber auch etwas schockiert. Langsam im Iran angekommen.
*Erste Woche sehr holprig, aber wir sind mit sehr viel Energie und Optimismus gestartet. Wir glauben das geht vorüber.*
-Weiter durchs Gebirge nach Massuleh in ein altes Bergdorf, inmitten einer Art Dschungel in feucht-kaltem Klima. Leider Nachts im Zelt angebrüllt und mit etwas beschmissen worden. Wahrscheinlich Steine. Zum Glück nichts passiert. Auch die Passstraße hatte es in sich. Handy defekt und gefroren wie noch nie.
-Weiter Richtung Küste bei enormer Luftfeuchte, Hitze und extremem LKW-Verkehr.
-Die bereits erwähnte Story mit dem Hund hing uns noch länger nach und war eines der emotionalsten Ereignisse.
-Über jeden Höhenmeter am Weg nach Süden gefreut für freundliches Klima, bis kurz vor Teheran selbst die trockene Hitze zu viel wurde.
Begleitet von ungewollten Polizei-Konvoi bis spät am Abend über die Schnellstraße. Als wir die Polizei los sind, finden wir keinen Zeltplatz oder Hotel mehr. Familie stellt uns Ihre Wohnung zur Verfügung, weil wir abends verloren in der Straße stehen. Mit Google Maps und der schlechten Kommunikation kommt man hier nicht weit.
-Wir freuen uns Mittags in Teheran anzukommen. GPS fällt aus, wir biegen 1x falsch ab und haben ein 4h Verhör in Teheran gewonnen. Dazu mehr im Schlusswort.
*Nach 2 sehr extrem Wochen haben keinerlei Erwartungen mehr, sodass wir nicht mehr enttäuscht werden können.*
-Nach Gestank, Lärm und viel zu viel Aufmerksamkeit wieder in die Berge gekämpft.
-1 ruhiger Tag in den Bergen bis zum nächsten Magen-Darm-Problem. 1 Tag Zwangspause am Zelt und weitere 2 Tage mit Durchfall zur Küste.
-1 Woche Auszeit am Kaspischen Meer. Leere Strände und tolle Sonnenuntergänge waren perfekt um wieder Kraft zu tanken.
Die Sim-Karten funktionieren nicht so lang wie vereinbart, sodass man keine Tourenplanung machen kann, Freunde und Familie kontaktieren oder sich mal ablenken kann. Wir verabreden uns mit einem Mitarbeiter für neue Sim-Karten und Geldwechsel am nächste Morgen. Leider ist er den ganzen Tag nicht erschienen.
Nach 2 Tagen Reis Essen fällt auf, dass kleine Tiere in der Tüte krabbeln.
Die Unterkunft war so eklig, dass wir uns nicht ins Bett legen wollten und das nicht nur wegen der Kakalaken. Besitzer ist noch unehrlich mit dem Preis, sodass wir zwei Tage fast ohne Geld unterwegs sind. Im Supermarkt haben wir zu wenig Geld und bekommen den Rest geschenkt. Damit haben wir genau Verpflegung für 2 Tage und hoffen das wir in der nächsten Stadt Geld wechseln können.
*Nach den extremsten 4 Wochen der Tour ist dass Ende des Irans in Sicht und wir freuen uns drauf das Land zu verlassen.*
-2 Tage durch den Stadtverkehr der Küste kämpfen. Erste Probleme mit Gruppe von kleinen Jungs bei der Pause am Straßenrand. Daneben ein Opa der hinterm Busch sitzt und etwas aus einer PET-Flasche raucht.
Die Bewohner finden sogar am Abend unser verstecktes Zelt und hören nicht auf uns auszufragen und einzuladen. Uns läuft der Schweiß selbst Nachts im Zelt. Im urbanen Raum fehlt der Wind und die Hitze staut sich. Neue Rekordhitze der Tour.
-Wieder rauf in die kühlen und ruhigen Berge. Nach der ersten Abfahrt ist dort ein 200km Hochplateau von Steppe / Wüste. Diese beschert uns erneut die heißeste Nacht der Tour. Die enorme Weitsicht ist beeindruckend.
-Über einen kleinen Schotterweg zur Grenze nach Turkmenistan. Wunderschöne Natur und dazu brutale Anstrengung, denn die letzten Tage bestimmt die gebuchte Tour für Turkmenistan unsere Reisegeschwindigkeit. Lange Tage im Sattel. Die vorletzte Nacht im Iran war die erste gute Nacht im Zelt. Wir haben wieder Spaß am Rad fahren und können einen guten Abschluss finden.
*Teil 4 Für uns war es das Land der Extreme.*
Gefroren wie nie zuvor auf unserer Reise, die heiße Dusche genossen wie nie zuvor.
Geschwitzt wie nie zuvor, kaltes Wasser geschätzt wie nie zuvor.
Im Zelt so schlecht geschlafen wie nie zuvor, das Bett im Hotel genossen wie nie zuvor.
Gegenwind wie nie zuvor,Rückenwind geschätzt wie nie zuvor.
So viele Menschen und so wenig Ruhe wie nie zuvor, leere Strände und Sonnenuntergänge am Meer geschätzt wie nie zuvor.
So hilflos und überfordert wie nie zuvor,
blind vertraut und Dinge passieren lassen.
Akzeptiert wie nie zuvor. So viel drüber nachgedacht und gelernt wie nie zuvor.
Essen in den Supermärkten so schlecht wie nie zuvor, in Teheran über frisches Essen aus der Region gefreut wie nie.
Als wir im Zelt angegriffen wurden, hatten wir Angst wie nie zuvor,
erleichtert über Unversehrtheit und gefreut nette Menschen, wie nie zuvor.
Verkehrsdichte so hoch wie nie zuvor,
Die wenigen ruhigen Straßen in den Bergen genossen wie nie zuvor.
Noch nie so ausgeliefert gefühlt wie im 4-Stunden Verhör von Teheran.
Die Meinungsfreiheit und lockeren Umgang mit der Staatsgewalt in Deutschland geschätzt wie nie zuvor.
So krank gewesen wie nie,
Motivation und Bewusstsein für die weitere Reise wie nie zuvor. Zwischenzeitlich unsicher ob und wie es weiter geht.
Noch nie Zeitdruck wie durch das Turkmenistan Visum gehabt,
Motivation für die extrem langen Tage im Sattel so einfach gefunden wie noch nie zuvor.
Schlechte Nächte wegen Moskitos, Hitze und Lärm
Über die erste gute Zeltnacht im Iran gefreut wie nie zuvor.
Fehlender Respekt wie nie zuvor,
Gastfreundschaft und Respekt geschätzt wie nie zuvor. Noch nie so lange gerätselt, warum solche extremen Unterschiede in der Zufriedenheit auftreten.
Auf das Ende gefreut wie nie zuvor.
Nie so stolz gewesen das wir alles gemeistert haben, ohne die Lust zu verlieren oder Klischees aufzubauen.
*Teil 5 Fazit Iran*
Wir haben uns abgesehen von dem Angriff im Zelt und dem Verhör dauerhaft sicher gefühlt.
Der Verhör war auch eher ein dummer Zufall und ist nicht willkürlich passiert. Nach dem Ausfall des GPS haben wir uns versehentlich dem Gebäude des Präsidenten genähert. Man schöpft keinen Verdacht, weil einheimische sich dort aufhalten dürfen und die Straßen voll sind.
Solange man sich unauffällig verhält und nicht auf europäisches Recht besteht, hat man kein ernstes Problem.
Wir begegnen besonders auf diesen vollen Straßen am Tag mehreren tausenden Menschen und fallen extrem auf. Leider haben wir auch etwa 10 weniger schöne Erfahrungen machen müssen. Aber davon wird Charlotte mehr erzählen.
Ließt sich sicher sehr mühsam und anstrengend, dennoch war es keine schlechte Zeit im Iran und wir sind froh das wir es gemacht haben. Immer wieder neu vertraut und bis zum Ende durchgezogen. Es fühlt sich auch nicht ganz richtig an es so zu schreiben, weil wir damit den unfassbar vielen freundlichen und extrem respektvollen Menschen nicht gerecht werden. Daher sei es hier nochmal gesagt. Mehr als 99% der Menschen haben sich gefreut und zu sehen, haben uns Geschenke gemacht und uns eingeladen. Leider sind die 10 schwierigen Begegnungen prägender und präsenter solange man in einem Land ist wo man sich kaum verständigen kann. Man kennt weder geschriebene noch umgeschriebene Gesetze.
Das Fahrrad fahren für Frauen verboten ist, war uns nicht klar. Wäre ganz praktisch zu wissen, bevor man dort auf Radreise geht. Aber das ungeschriebene Gesetzt lautet, dass es geduldet wird. Zumindest von fast allen.
Rückblickend sieht das ganze dann sehr viel freundlicher aus. Der schwierigste Part der Tour liegt wohl hinter uns und wir schauen optimistisch nach vorne :)
*Teil 6 Turkmenistan*
Wir werden an der Grenze von einem Reiseführer abgeholt und zum Hotel transportiert. Die Fahrräder dürfen wir nicht benutzen, sodass wir durchs ganze Land transportiert werden. Das Gegenstück zur bisherigen Individualreise. Hier ist 4 Tage lang fast alles vorbestimmt. WhatsApp, Instagram und YouTube sind hier ebenfalls gesperrt. Auch Mobiles Internet gibt es keines.
Wer denkt, Dubai wirkt wie eine Fake-Welt, der war noch nicht in Ashgabat. Wie ein Freizeitpark nur ohne Menschen, was es noch spezieller macht. Wo die 800.000 Einwohner sind? Keine Ahnung.
In den gesetzlichen angeordneten weißen Autos und Gebäuden sieht man dann doch ein paar. An vielen Situationen im Alltag merkt die auffällige Sauberkeit und Ordnung. Nirgends liegt Müll, sogar Blätter werden schnell aufgekehrt. Im Supermarkt wird man in jeder Abteilung bedient und beraten, von einem Mitarbeiter der auch zeitgleich direkt für Ordnung sorgt, wenn ein Teil nicht planmäßig liegt. Der Kontrast könnte in diesem Punkt zum Iran kaum größer sein.
Es ist sehr schön Frauen und Männer wieder leicht und bunt gekleidet zu sehen. Mir war das vorher nicht so bewusst, aber unterbewusst bewirkt es schon, dass man sich geborgen fühlt. Uns fällt es besonders auf, als ein Geburtstagsfeier im Lokal neben uns stattfindet. Menschen tanzen und lachen, der Alkohol fließt in rauen Mengen. Auf den großen Flachbildschirmen ist viel nackte Haut zu sehen. Draußen spielt Live-Musik von bekannten englischsprachigen Künstlern. Im Kontrast fällt schon auf, dass es genau das 5 Wochen nicht gab und wie man daran gewöhnt ist. Und das in einem Staat, der doch mehr abgeschottet scheint als der Iran?
*Teil 7 Usbekistan*
Endlich gibt es weniger Aufmerksamkeit beziehungsweise die Menschen sind einfach etwas distanzierter. Sie hupen oder winken, aber müssen einen nicht zwingend anhalten, lange reden und uns nach Hause einladen.
Das Land ist einfach flach und überwiegend Steppe daher ist es nicht besonders interessant zum Radeln, aber die erste Stadt war dafür umso schöner. Die Architektur von Bukhara hat uns aufgrund der sehr gut erhaltenen Altstadt aus dem Mittelalter, bisher am besten gefallen. Schlicht und trotzdem pompös.
Die eintönige Landschaft ist nicht weiter schlimm, weil der PamirHighway unmittelbar bevorsteht. Man könnte es als den Everest für Radfahrer beschreiben. Die Vorfreude ist groß:)










































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